Das kleine Gehirn im Herzen

 

Einführung:

Hast du jemals den Ausdruck gehört: „Was sagt dein Kopf?“, „Hör auf dein Herz“?, oder „Vertraue deinem Bauchgefühl“? Diese geläufigen Redewendungen beinhalten die subtile Andeutung darauf, dass möglicherweise alle Organe auf einzigartige Weise an der Entscheidungsfindung beteiligt sind. Dabei gilt das Gehirn weithin als rational-logischer Akteur, das Herz als eher mitfühlend und dem Bauch wird eine schützende Rolle zugeschrieben. Doch können Organe wirklich Entscheidungen für uns treffen? In der modernen Wissenschaft wird das Gehirn traditionell als übergeordneter Befehlshaber betrachtet, der jede Bewegung und Emotion steuert, während den anderen Organe allgemein lediglich eine ausführende Rolle zugesprochen wird. Aus spiritueller Perspektive wird der Körper jedoch als eng vernetzt und weniger in Form getrennter Einheiten betrachtet. Entscheidungen werden nicht nur durch rationales Denken, sondern auch durch „auf das Herz hören“ (d.h. die Herzintelligenz) getroffen.

 

Das neuronale Netzwerk des Herzens:

Man könnte nun vermuten, dass die westliche Wissenschaft die Idee, dass neben dem Gehirn weitere Organe die Fähigkeit zur Entscheidungsfindung besitzen, ablehnt. Diese Annahme ist jedoch nicht vollständig korrekt. Seit über einem Jahrhundert wird intensiv über eine faszinierende Entdeckung debattiert: im menschlichen Herzen sitzen mehr als 40.000 Neuronen, die vollkommen unabhängig von unserem Großhirn funktionieren.1 Diese als „sensorische Neuriten“ bezeichneten Zellen sind tief im gesamten Herzen miteinander verflochten und formen ein komplexes Netzwerk. Diese Entdeckung fordert die konventionelle Überzeugung, dass das Gehirn als zentrale Instanz einseitig das Herz steuert, heraus. Dr. John Armour bezeichnete die gefundene Zellgruppe als das „kleine Gehirn im Herzen“ – ein Hinweis darauf, dass eine viel komplexere Beziehung zum Gehirn besteht und zwischen den beiden kommuniziert wird als zuvor angenommen.2,3 Das volle Ausmaß dessen, was dieses kleine Gehirn im Herzen leisten kann, ist noch immer unerforscht, und die Wissenschaft ist davon überzeugt, dass im Rahmen weiterer Forschungsarbeiten noch mehr gehirnähnliche Netzwerke entdeckt werden.1

 

Heilung von Traumata: Erinnerung sowohl im Kopf als auch im Herzen:

Verschiedene Wissenschaftler, welche eine Brücke zwischen Wissenschaft und Spiritualität schlagen möchten, betonen, dass die Existenz dieses kleinen Gehirns im Herzen unser Verständnis von Traumata und Heilung vertieft. Spirituelle Forscher wie beispielsweise Gregg Braden vermuten, dass die alleinige Heilung von Traumata im Verstand, die emotionalen Wunden im Herzen möglicherweise unberührt lassen kann. Wenn wir anerkennen, dass Erfahrungen - egal ob schmerzhaft oder freudig - sowohl im Verstand als auch im Herzen registriert werden, können wir Traumata auf eine ganzheitlichere Weise behandeln. Diese Entdeckung ermutigt uns zudem dazu, das Herz nicht nur als ein physisches Organ zu betrachten, sondern auch als einen emotionalen Knotenpunkt, der einen erheblichen Beitrag zu unserem mentalen und physischen Wohlbefinden leistet. Ein solches Konzept gewinnt in der Wissenschaft zunehmend Unterstützung, insbesondere durch wegweisende Studien wie „Gestresstes Gehirn, krankes Herz“. In dieser Studie fanden Wissenschaftler heraus, dass psychische Erkrankungen wie beispielsweise chronischer Stress und Depression eine erhebliche physische Belastung für das Herz darstellen.4 Dieser Artikel beschreibt den direkten Zusammenhang psychischen Erkrankungen und einem deutlich höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Da psychischer Stress oft lediglich als auf den Verstand beschränkt betrachtet wird, sind diese Erkenntnisse überraschend. Doch die Studie enthüllt eine viel komplexere Verbindung zwischen unserem emotionalen Wohlbefinden und der Funktion des Herzens. Möglicherweise ist die Intelligenz unseres Herzens das fehlende Bindeglied, das diese Verbindung zwischen unserer physischen und mentalen Gesundheit stärkt.

 

Fazit:

Während Wissenschaftler weiterhin die faszinierende Verbindung zwischen Gehirn und Herz erforschen, stellt die Entdeckung des "kleinen Gehirns" die gängige Überzeugung in Frage, dass das Gehirn unseren Körper als zentrale Instanz allein kontrolliert. Dieses neu gewonnene Verständnis ermutigt uns alle dazu, die Bedeutung des Herzens jenseits seiner physischen Rolle anzuerkennen - als ein entscheidendes emotionales Zentrum, das unser mentales und physisches Wohlbefinden auf Weisen beeinflusst, die wir erst beginnen zu begreifen.

 

Wissenschafliche Studien:

1.     Armour, J. A., Murphy, D. A., Yuan, B. X., MacDonald, S., & Hopkins, D. A. (1997). Gross and microscopic anatomy of the human intrinsic cardiac nervous system. The Anatomical Record: An Official Publication of the American Association of Anatomists, 247(2), 289-298.

2.     Armour, J. A. (2008). Potential clinical relevance of the ‘little brain’on the mammalian heart. Experimental physiology, 93(2), 16

3.     Campos, I. D., Pinto, V., Sousa, N., & Pereira, V. H. (2018). A brain within the heart: A review on the intracardiac nervous system. Journal of molecular and cellular cardiology, 119, 1-9.

4.     Pereira, V. H., Cerqueira, J. J., Palha, J. A., & Sousa, N. (2013). Stressed brain, diseased heart: a review on the pathophysiologic mechanisms of neurocardiology. International journal of cardiology, 166(1), 30-37

Veröffentlichung
08.02.2024
Autor
Adam Beavan
Kategorie
Beiträge